Welcher Prototyp ist gemeint?

Prototyping Optionen visualisiert am Beispiel einer Computermaus

„Was genau meinst du mit Prototyp?“

Diese Frage habe ich in der Produktentwicklung schon unzählige Male gehört. Ob Mockup, Bastelei, Skizze, CAD-Modell oder seriennahes Muster: Streng genommen, sind das alles Prototypen. Und doch reden wir oft viel zu unpräzise über „den Prototypen“, als gäbe es nur eine Option. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Es gibt eine Vielzahl von sehr verschiednen Umsetzungsmöglichkeiten eines Prototypen – und jeder erfüllt einen anderen Zweck.

Vier Dimensionen für Prototypen

Um Klarheit zu schaffen, ordne ich Prototypen gerne entlang von vier Dimensionen ein:

1. Form– Wie wird der Prototyp erstellt?
Das Spektrum reicht von schnellen 2D-Skizzen und Handscribbles über digitale 3D-Modelle (wie CAD oder Simulationen) bis hin zu physischen Prototypen – etwa Papiermodelle, 3D-Drucke oder sogar seriennahe Ausführungen. Jeder Schritt macht die Idee greifbarer, aber auch aufwändiger.

2. Zweck – Was will ich herausfinden oder zeigen?
Prototypen sind Werkzeuge zum Lernen: Sie helfen, Kundenfeedback einzuholen, das Problem wortwörtlich zu begreifen oder Fertigungsprozesse zu testen. Sie dienen dazu, verschiedene Optionen zu erforschen, Wirkprinzipien zu optimieren oder einfach, um mit Team, Stakeholdern und Investoren zu kommunizieren. Die Zielsetzung bestimmt, wie viel Aufwand wirklich nötig ist.

3. Betrachtungsumfang – Wie viel vom Produkt bildet der Prototyp ab?
Manchmal braucht es das große Ganze, manchmal reicht die isolierte Betrachtung einer einzelnen Baugruppe oder Funktion. Auch der Test unter Laborbedingungen unterscheidet sich grundlegend von Versuchen unter Realbedingungen.

4. Detaillierungsgrad – Wie nah ist der Prototyp an der Realität?
Oft spricht man von high oder low-fidelety. Ich finde das zu unpräzise. Ich spreche stattdessen lieber explizit von Mockups, Konzeptprototypen, Funktionsprototypen und seriennahen Prototypen.

Begriffe für verschiedene Detailgrade des Prototypings

Mockups sind die einfachsten und zugleich oft unterschätzten Vertreter der Prototypenfamilie. Ihr Fokus liegt nicht auf Funktion, sondern ganz auf dem äußeren Erscheinungsbild, der Form und der Haptik eines Produkts. Mockups werden genutzt, um das Design, die Proportionen und das „Look & Feel“ einer Idee erlebbar zu machen – lange bevor an technische Details oder Funktionalität gedacht wird. Sie bestehen häufig aus günstigen Materialien wie Schaumstoff, Karton, Holz oder Kunststoff oder werden gleich digital erstellt und lassen sich schnell und kostengünstig anfertigen. Gerade in frühen Entwicklungsphasen helfen Mockups dabei, das Produkt im wahrsten Sinne des Wortes zu „begreifen“: Wie liegt es in der Hand? Wie wirkt es im Raum? Stimmen Ergonomie und Ästhetik? Auch für die Kommunikation im Team oder mit Kunden sind Mockups unschlagbar, weil sie abstrakte Konzepte greifbar machen und Missverständnisse vermeiden. Sie sind das ideale Werkzeug, um Designideen zu testen und frühzeitig Feedback einzuholen – ganz ohne den Aufwand, eine funktionierende Technik zu integrieren.

Konzeptprototypen sind die ersten mutigen Schritte aus der Theorie in die Praxis. Ihr Hauptzweck ist der „Proof of Concept“ – also der Nachweis, dass eine grundlegende Idee oder ein Funktionsprinzip überhaupt plausibel ist. Dabei darf und soll es ruhig improvisiert zugehen: Konzeptprototypen sind oft stark vereinfacht, abstrakt oder mit minimalem Aufwand „gebastelt“. Hier zählt nicht das perfekte Aussehen oder die Seriennähe, sondern das schnelle Testen einer zentralen Annahme. Das kann ein mit Klebeband zusammengehaltener Mechanismus sein, ein Arduino gesteuertes FDM Ungetüm oder auch ein digitaler Prototyp, der eine Funktion simuliert. Wichtig ist: Fehler dürfen und sollen hier passieren – denn sie in diesem Stadium zu entdecken, ist günstig und liefert wertvolle Erkenntnisse für die nächsten Schritte.

Funktionsprototypen gehen einen Schritt weiter und nähern sich den realen Bedingungen an. Sie zeigen, wie das Produkt – oder zumindest zentrale Funktionen – in der Praxis tatsächlich arbeitet. Dabei werden oft noch Vereinfachungen vorgenommen: Entwicklerboards ersetzen eigene Elektronik, Komponenten werden in professionellem 3D-Druck statt im Spritzguss gefertigt, und nicht alle Anforderungen an Haltbarkeit, Kosten oder Fertigung werden erfüllt. Dennoch sind Funktionsprototypen so ausgelegt, dass sie zentrale technische Fragen beantworten und das Zusammenspiel der wichtigsten Komponenten unter realistischen Bedingungen demonstrieren können. Sie sind die Brücke zwischen der reinen Idee und der industriellen Umsetzung.

Seriennahe Prototypen schließlich sind das Bindeglied zur Marktreife. Sie werden mit den gleichen Fertigungsverfahren und Technologien hergestellt, die auch in der späteren Serie zum Einsatz kommen. Typische Beispiele sind Nullserien, Validierungsprototypen oder Muster für Endkundentests. Hier müssen alle Anforderungen erfüllt werden – von der Maßhaltigkeit über die Funktion bis hin zu sicherheitsrelevanten Aspekten und den geplanten Produktionskosten. Seriennahe Prototypen dienen dazu, das Produkt unter echten Bedingungen zu validieren, letzte Fehlerquellen zu finden und die Produktionsprozesse final abzusichern, bevor der große Schritt in die Serienfertigung erfolgt.

Jede dieser Prototypenarten hat ihren festen Platz im Entwicklungsprozess – und wer sie gezielt einsetzt, spart nicht nur Zeit und Geld, sondern erhöht auch die Erfolgschancen für das spätere Serienprodukt.

Die Kunst der richtigen Auswahl

Die eigentliche Herausforderung – und die große Kunst – besteht darin, den richtigen Prototypen für das richtige Ziel zu wählen. Allzu oft werden frühe, einfache Prototypen übersprungen und der erste Funktionsprototyp muss plötzlich alles leisten: Design, Funktion, Nutzerfeedback, Fertigung. Das ist teuer, riskant und selten zielführend.

Viel sinnvoller ist es, schon zu Beginn mehrere Prototypen einzuplanen und für jede Hypothese oder Anforderung festzulegen, mit welchem Prototyp sie validiert werden soll. So lassen sich Aufwand und Kosten gezielt steuern – ganz im Sinne des Minimum Viable Product (MVP).

Ein Appell an die Praxis

Mein Rat aus vielen Jahren Erfahrung: Planen Sie Prototypen strategisch – mit minimalem Aufwand, aber maximalem Erkenntnisgewinn. Und vor allem: Reden Sie mit Ihrem Team ganz konkret darüber, welche Art von Prototyp Sie meinen. Denn selbst Ingenieure sprechen oft von völlig unterschiedlichen Dingen, wenn sie „Prototyp“ sagen.

Wann haben Sie zuletzt bewusst einen einfachen, schnellen Prototypen gebaut, um eine zentrale Annahme zu testen – statt gleich alles auf einmal zu lösen?

Wenn Sie effiziente Unterstützung in der Entwicklung und im Prototyping wünschen, sprechen Sie mich gerne an!

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